Der Frühling hat begonnen und in den Weinbergen sprießt es zwischen den Zeilen bereits vor dem Austrieb der Reben. Taubnessel, Ehrenpreis, Vogelmiere, Kleearten, Löwenzahn und andere Bodenbedecker bieten Blütenbesuchern stellenweise recht gute Tracht und erfreuen auch das Auge, soweit sie nicht von überwiegenden Grasanteilen verdrängt sind. Aus Gründen des Boden- und Umweltschutzes, der Befahrbarkeit und auch der Rebengesundheit sind Bodenbegrünungen mittlerweile Standard im modernen Weinbau.
Die Wasser- und Nährstoffkonkurrenz mit den Rebstöcken erfordern jedoch spätestens ab Anfang Mai eine Reduzierung dieses spontanen oder eingesäten Bewuchses. Im Laufe der Saison wird er mehrmals mit dem Mulchgerät abgemäht, zerkleinert und das Schnittgut zur Zersetzung liegengelassen.
Auch der Bereich der Vorgewenden wird dabei kurz gehalten (das ist der ca. 8m breite Streifen vor den Zeilen, auf dem bei der Bearbeitung gefahren und gewendet wird).
Nicht jeder macht das so gründlich und gelegentlich sieht man auch Vorgewende, die nicht so „ordentlich“ dastehen, oder wo am Rand etwas stehengelassen wird. Wenn mal eine Stelle gar bis in den Sommer nicht abgemäht wird, wundert man sich, wie es darin “summen und brummen“ kann, während nebenan “tote Hose“ herrscht. Neben der Arbeitsersparnis können solche Flächen eine hervorragende Werbung für den Winzer sein, die jeder naturliebende Betrachter zu schätzen weiß.
Das Problem, warum das nicht alle so machen, ist vielleicht ein psychologisches: Eine „ordentlich“ bewirtschaftete Fläche war in früheren Zeiten überlebensnotwendig und kostete sehr viel Anstrengung. Es ist nicht verwunderlich, dass dies wohl jedem rechten Landwirt oder Winzer noch „instinktmäßig“ im Blut liegt – auch Kleingärtner sind da nicht anders. Und überhaupt, der Mensch liebt nun mal die Ordnung – sieht halt schöner aus.
Schönheit liegt allerdings im Auge des Betrachters und wer ein Auge für das vielfältige Leben in einem ungemulchten, blühenden Vorgewende-Randstreifen hat, wird diesen viel schöner finden. Wir möchten unsere Winzer (und auch Kleingärtner) an dieser Stelle animieren, ein wenig die Augen dafür zu öffnen und ein kleines bisschen Wildnis in ihren Vorgewenden, Gärten (und Gedanken) zuzulassen.
(Eckart Kleemann)